Als Begründer der modernen Hypnose wird weithin Franz Anton Mesmer (1734 – 1815) gesehen. Seine Arbeit vollzog sich so, dass er mithilfe von „Passes“ eine Trance einleitete: Mit seinen Händen
strich er über den Körper, ohne diesen zu berühren. Es sollte eine magnetische Wirkung eintreten, die eine Heilkraft entfalten konnte.
Das mag heute seltsam anmuten. Nicht viele Menschen arbeiten so. Die moderne Schulhypnose, die sich um wissenschaftliche Anerkennung bemüht, betrachtet das Verfahren mit Skepsis. Dass Energie
„übertragen“ wird, kann sie wissenschaftlich nicht messen und distanziert sich lieber davon.
Für Mesmer aber ist es klar, dass es etwas Stärkeres gibt „als alle chemischen Medikamente“, und das ist der „lebendige Mensch“, der einem anderen helfen kann, und zwar „durch seine Gegenwart
und nervenmäßige Beeinflussung“: „‚Von allen Körpern in der Natur wirkt auf den Menschen am allerwirksamsten der Mensch selbst.‘“1
Das Prinzip ist leicht zu verstehen: Um therapeutisch helfen zu können, muss ein Mensch Heilkraft entfalten können (es sei denn, er verwendet Medikamente, denn dann wäre es deren Heilkraft).
Anbieten lässt sich jedoch allein, was man selber schon besitzt. Im therapeutisch tätigen Menschen muss also Heilkraft vorhanden sein, die er helfend anbietet, das heißt also: „überträgt“.
Wo kommt diese Heilkraft her? Ist sie jedem Menschen gegeben? Kann man sie einfach „abrufen“? Franz Anton Mesmer ist der Meinung – und wer wollte ihm widersprechen? –, dass die Welt, in der wir
leben, „keineswegs ein leerer, unbeseelter Raum, ein totes, teilnahmsloses Nichts ringsumher um den Menschen“ ist.2
Kann etwa nicht jeder Mensch spüren, dass in Räumen, die wir betreten, eine „Atmosphäre“ herrscht, ein irgendwie „zwischenmenschliches Klima“, wenn Menschen in diesen Räumen sind (oder waren)?
Strahlt nicht jeder Mensch etwas aus, seine persönliche Ausstrahlung, sein ganz eigenes Charisma? Wir alle nehmen das irgendwie wahr, auch wenn wir es nicht bewusst registrieren. Für Mesmer war die
Welt „durchdrungen von unsichtbaren, unfassbaren und nur innerlich fühlbaren Wellen, von geheimnisvollen Störungen und Spannungen, die in dauernder Überleitung einander berührten und belebten, Seele
zu Seele, Sinn zu Sinn“.3
Mesmerisieren (bzw. magnetisieren) bedeutet dann für den Therapeuten, dass er als ein Vermittler fungiert: Nicht er selbst ist es, der heilt, sondern er setzt sich in Verbindung mit einer Art
von größerer Kraft, die Mesmer selbst nicht benennen kann, die er aber sehr deutlich spürt, mit der er sich in Verbindung setzt, um dem kranken Menschen zu helfen.
Denn die Krankheit ist letztendlich eine Störung in dem Fließen der Lebenskraft. Etwas im Innern gelangt aus dem Takt, aus der inneren Harmonie. Menschen können das selber spüren: Wohl jeder
kennt es, dass er „im Flow“ ist: dass die Dinge richtig laufen, dass man selbst einen guten Lauf hat (Jogger kennen das wohl alle: ab einem bestimmten Punkt „läuft es irgendwie von selbst“), dass
etwas leicht von der Hand gehen kann; die Erfolge stellen sich ein; man fühlt sich innerlich wohl und gesund.
So aber bleibt es leider nicht immer. Denn der Strom der Energie kann immer wieder ins Stocken geraten, ohne dass man weiß, warum. Allmählich beginnt es schwierig zu werden. Man muss zunehmend
Mühe aufwenden, um den Alltag bestehen zu können. Manches zehrt dabei an den Nerven. Dem Menschen selbst ist es oft nicht bewusst. Meistens ist es ja auch so, dass sich nach einer gewissen Zeit etwas
im Inneren wieder einrenkt und man zurück in den Flow gelangt.
Wenn jedoch die Störung anhält und der Lebensfluss dauerhaft stockt, können sich Blockaden bilden. Im ungünstigen Fall kann es dazu kommen, dass dadurch Krankheitssymptome entstehen, psychisch
oder auch körperlich. Nicht immer findet der Arzt den Grund, nicht immer kann er tätig werden, und zwar gerade dann oftmals nicht, wenn er die Ursache nicht entdeckt (siehe auch meine Seite
Mensch & Krankheit).
Das aber bedeutet dann gerade nicht, dass der leidende Mensch „nichts hat“ und dass er nur an Einbildung leidet. Das ist nur so in einer Sicht, die auf isolierbare Krankheiten starrt und dabei
vielleicht nichts entdecken kann, statt den kranken Menschen zu sehen („‚Es gibt keine Allgemeinkrankheiten, sondern nur mehr Organ- und Zellenkrankheiten.‘“4 - Rudolf Virchow, einer
der Begründer der modernen Medizin (1821-1902)).
Mesmerisieren (bzw. Magnetisieren, wie Franz Anton Mesmer selbst es nannte) bedeutet dann, dass der Therapeut dabei hilft, den Strom der Lebensenergie wieder fließen zu lassen. Er arbeitet also
darauf hin, dass „Körpersäfte und Körperkräfte“ wieder ins Gleichgewicht gelangen. Denn es ist ihr Ungleichgewicht, aus dem die Krankheiten resultieren.
Für meine eigene hypnotische Arbeit verwende ich lieber den Begriff „energetisch“, als von Magnetismus zu sprechen, weil es schwer zu fassen ist, was es für eine Art von Energie ist, deren
Heilkraft zu nutzen ist. Es käme mir sehr fragwürdig vor, wenn jemand wirklich behaupten wollte, dass er kein Gefühl dafür habe, denn sie lebt in jedem von uns. Was ich therapeutisch mache, könnte
prinzipiell jeder Mensch. Er müsste nur bereit dazu sein, den nötigen Aufwand zu betreiben, um sich mit dieser schwer greifbaren Kraft wirkungsvoll in Verbindung zu setzen.
Anmerkungen:
1) Stefan Zweig: Heilung durch den Geist, Kindle Pos. 43365 ff.
2) Stefan Zweig, a.a.O., Pos. 43037
3) Stefan Zweig, a.a.O., Pos. 43037
4) Stefan Zweig, a.a.O., Pos. 42845